Interview mit Thomas Rabe

„Wir sind unserem Zielportfolio bereits deutlich nähergekommen!“

Wachstumsstärker, digitaler, internationaler und diversifizierter soll Bertelsmann werden. Das klingt sehr ambitioniert, warum gleich vier Ziele auf einmal?

Diese vier Aspekte gehören zusammen, aber die Reihenfolge ist nicht zufällig gewählt. Als wir vor fünf Jahren unsere Strategie erarbeitet haben, bestand zwischen allen Konzerngremien schnell Einigkeit, dass Wachstum oberste Priorität haben sollte. Wachstum ist die Grundlage, damit wir in unsere Geschäfte investieren und unsere Mitarbeiter weiterentwickeln können.

Wie fügen sich die anderen Ziele in dieses Vorhaben ein?

Sie zahlen direkt darauf ein. Nehmen Sie das Beispiel Digitalisierung: Sie ist der vielleicht wichtigste Megatrend unserer Zeit, entsprechend hoch sind die Wachstumsraten unserer digitalen Geschäfte. Ähnlich verhält es sich beim Thema Internationalisierung: Viele Marktsegmente in China, Indien und Südamerika wachsen deutlich schneller als etwa in Deutschland und Europa. Unsere Präsenz in diesen Regionen auszubauen, heißt daher auch, schneller zu wachsen.

Und wie verhält es sich mit dem vierten Punkt, nämlich diversifizierter zu werden?

Auch hier geht es zum einen um Wachstum – wir wollen stark wachsende Geschäftsfelder ausbauen. Zum anderen geht es aber auch darum, die Abhängigkeit von einzelnen Umsatzquellen zu mindern.

Sie sprachen gerade den Strategieprozess aus dem Jahr 2012 an. Was hat Bertelsmann in den vergangenen fünf Jahren getan, um seine Ziele zu erreichen?

Maßgeblich waren und sind für uns vier strategische Stoßrichtungen: die Stärkung unserer Kerngeschäfte, ihre digitale Transformation, der Auf- und Ausbau von Wachstumsplattformen sowie die regionale Expansion unserer Geschäfte. Entsprechend haben wir unsere Geschäfte weiterentwickelt, uns aus strukturell rückläufigen zurückgezogen und neue aufgebaut. Beispielsweise haben wir seit 2011 mehr als 4 Milliarden Euro allein in Digitalund Wachstumsgeschäfte investiert.

Welche Bilanz können Sie heute ziehen?

Bertelsmann hat sich in den vergangenen Jahren erfreulich entwickelt: Obwohl wir einen umfangreichen Konzernumbau vorgenommen haben, konnten wir unser operatives Ergebnis seit 2012 um durchschnittlich etwa 100 Millionen Euro pro Jahr steigern – zuletzt auf den Rekordwert von 2,6 Milliarden Euro. Gleichzeitig haben wir große strategische Fortschritte gemacht – von der Integration von Penguin Random House über den vollständigen Erwerb von BMG und Gruner + Jahr bis hin zum Aufbau unserer Bildungsgeschäfte, um nur einige Beispiele zu nennen.

Inwiefern ist Bertelsmann hierdurch tatsächlich wachstumsstärker, digitaler, internationaler und diversifizierter geworden?

Wir sind unserem Zielportfolio bereits deutlich näher gekommen! Unser Wachstumsprofil hat sich in den vergangenen fünf Jahren spürbar verbessert. 2011 trugen unsere wachstumsstarken Geschäfte lediglich 20 Prozent zum Gesamtumsatz bei. 2016 waren es schon 30 Prozent. Perspektivisch wollen wir ihren Anteil auf 40 Prozent erhöhen. Darüber hinaus haben wir in den vergangenen fünf Jahren unsere strukturell rückläufigen Geschäfte reduziert. Sie tragen heute weniger als fünf Prozent zum Umsatz von Bertelsmann bei, 2011 waren es noch 16 Prozent.

Und wie sieht es in den anderen Kategorien aus?

Auch unsere Digitalumsätze wachsen dynamisch, viele unserer Unternehmensbereiche sind führend in ihren jeweiligen Märkten: Die RTL Group zählt zu den größten Playern im Bereich Onlinevideo. Arvato ist Dienstleister für die wichtigsten Hightech-Konzerne der Welt, die Geschäftsmodelle von BMG und unseren Bildungsanbietern profitieren von der Digitalisierung. Dies und mehr schlägt sich in unserem Portfolio nieder: Bertelsmann erzielt heute 44 Prozent seines Umsatzes mit digitalen Geschäften. 2011 waren es lediglich 30 Prozent.

Woran lässt sich ablesen, dass Bertelsmann internationaler wird?

Daran, dass wir unseren Umsatz außerhalb Europas in den vergangenen Jahren merklich gesteigert haben: 2011 waren es 20, 2016 schon 28 Prozent. Hierzu hat insbesondere der Ausbau unserer Geschäfte in den USA, dem größten und innovativsten Medienmarkt der Welt, beigetragen. Dort wollen wir mittelfristig 30 Prozent unseres Umsatzes erzielen. Aber auch in unseren strategischen Wachstumsregionen China, Indien und Brasilien haben wir unsere Präsenz verstärkt.

Und wo stehen Sie in Sachen Diversifikation?

Bertelsmann verfügt heute über ein so breites Portfolio wie noch nie – mit acht Unternehmensbereichen, die auf den drei Säulen Medien, Dienstleistungen und Bildung stehen.

Das Portfolio von Bertelsmann soll sich also auch in den kommenden Jahren weiterentwickeln. Wie wird sich dies auf die Geschäftsentwicklung auswirken?

Mittelfristig streben wir einen Umsatz von 20 Milliarden Euro und ein Operating EBITDA von 3 Milliarden Euro an. Wenn wir unsere Strategie weiterhin erfolgreich umsetzen, bin ich zuversichtlich, dass wir dies in den kommenden drei bis fünf Jahren erreichen.